„Plattdeutsch und alter Kram“

aufgeschrieben von E. Läufer | geboren 1939 | Veterenärtechnikerin

Sprache ist ein lebendiger Prozess, es gibt keinen Stillstand. Wörter verschwinden aus dem Sprachgebrauch, neue kommen hinzu. In den Regionen Deutschlands wird überall hochdeutsch gesprochen. Nach Bastian Sick in „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ Bd.1, heißt es „dass wir, egal ob Nord- oder Süddeutsche, Rheinländer oder Sachsen, Österreicher oder Schweizer, allesamt Dialektsprecher sind.“ Neben den Dialekten und Sprachbesonderheiten gibt es das „Plattdeutsch“, eine Spracheform, die leider vom Aussterben bedroht ist. Im Brockhaus wird sie als „ungekünstelte, allgemeinverständliche, heimische Sprache“ bezeichnet. Das hat sich im Laufe der Jahrhunderte stark verändert, diese Sprache ist heute nicht mehr „allgemeinverständlich“. Deshalb sind die Bemühungen einzelner Menschen zur Erhaltung nicht hoch genug zu schätzen. Edith Läufer gibt uns ein Beispiel dafür, wie man Kindern diese Sprache nahe bringen kann, so wie man auch Geschichte vermittelt. Sie schreibt:
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Fröher spräken de Lüj vööl
up n Dörp noch miehr as inne Stadt
De Kinner hämn dat van kleen up hüürt
un so dat Spräken glieks met liehrt Hüüt
müßt du ok up n Dörp de Plattspräker sööken
vööl findste nich miehr, de noch platt spräken
Een poor de t noch kunn n de häm ’n sick besunn`n
de willn werrer anfang`n
un Plattdüütsch „an’n Mann breng`n“
De lojen ju` in: „Kiekt doch moal rin!“

In einem Arbeitsheft habe ich gelesen: Zitat: „Die Entfremdung Mensch – Natur ist mit fortschreitender Zivilisation vor allem in städtischen Bereichen immer stärker geworden. Immer weniger Kinder wissen um jahreszeittypische Vorgänge in Flora und Fauna. Grundlegende Kenntnisse um elementare Tätigkeiten in Ackerbau und Viehzucht fehlen vor allem bei Stadtkindern.“Heute trifft das nicht nur für Stadtkinder zu, sondern auch für den dörflichen Bereich. Es ist nun mal so, zwischen Stadt- und Dorfkindern gibt es Unterschiede. Doch ist der Unterschied zwischen Stadt- und Dorfkindern nicht mehr so groß. Größer ist der Unterschied zwischen Dorfkindern von gestern und heute geworden. Hier geht es nicht nur um die Zusammenhänge in der Natur, sondern auch um geschichtliche Fragen. „Wie war unser Ort früher?“, „Wie lebten die Menschen?“ usw. Das Interesse an solchen Fragen ist heute kaum noch vorhanden. Vieles, was meine Generation noch als selbstverständlich gesehen hat, hat sich sehr verändert oder ist verloren gegangen. Bleiben wir mal beim Plattdeutsch. Früher wurde in den Familien, am Arbeitsplatz, auf den Höfen, bei Familienfeiern usw. plattdeutsch gesprochen. Das änderte sich, als auf den Dörfern neue Betriebe entstanden (bei uns im Dorf – Bau eines Sprengstoffwerkes) oder nach Kriegsende, als viele Menschen eine neue Heimat suchten. Auch nach der Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und mit der Aktion „Industriearbeiter aufs Land“ kamen viele Menschen ins Dorf, die das einheimische „Platt“ nicht verstanden. Die Alten schämten sich, plattdeutsch zu sprechen und vermieden es, weil es wohl nicht „fein“ genug war. Und so wurde das Plattdeutsche immer mehr verdrängt. Schade! In unserer Familie wurde immer plattdeutsch gesprochen, mit uns Kindern hochdeutsch. Von Bekannten weiß ich aber, dass sie in der Schule erst Hochdeutsch lernen mussten, weil zu Hause nur „platt“ gesprochen wurde. Doch wenn man schon als Kind täglich plattdeutsch hört, prägt sich die Ausdrucksweise fest ein. Daher ist es für Kinder, die mit Plattdeutsch aufgewachsen sind, viel leichter zu verstehen, auch wenn sie es selbst nicht gesprochen haben. „Plattdüütsch münn de Kinner int Öllernhuus liehrn. Inne School Plattdüütsch liehrn — dat wärd nix“ hat mir mal eine Frau aus Neukamern gesagt. — Ich gebe ihr recht. Seit 1994 habe ich Schülergruppen in der Arbeitsgemeinschaft „ Plattdeutsch“ betreut. Die Schüler lesen die vorgegebenen Texte sehr gut. Sie lernen und sprechen auch Texte, aber ob sie Platt als Umgangssprache gebrauchen, bezweifle ich. Ich hoffe sehr, unser Plattdeutsch bleibt noch recht lange erhalten und begrüße die Bemühungen, in Schulen und Kindergärten wieder Interesse an „Platt“ zu wecken. Allen, die sich für den Erhalt unserer alten Sprache einsetzen wünsche ich viel Freude, Ausdauer und Erfolg bei den Bemühungen.


Alter Kram – von Edith Läufer

Oller Kroam steiht oft noch rüm
keeneen kümmert sick miehr drüm
Schnell kömp sowat in n Schrott
steiht nur in n Wech son oller Pott
Fröher hämn de Lüj sülwst noch boddert,
to` n Schlachten sick een Schwien ranfuddert
Plum `nmoos un Sirup wurd ok sülwst kookt
un ehr Betttüch häm `n se sick ok noch moakt
Doamet dat nich verjäten ward
wurd de olle Kroam bi uns tosamm `nkarrt.
Häm’n ji noch wat ut olle Tieten?
bruken dat nich wechtoschmieten!
Wenn ji dat los sind wi11n, denn mellt ju hier
wi ha `n van den ollen Kroam jeern noch miehr.


Was wir heute als alten Kram bezeichnen, war damals, vor etwa 100 Jahren, als in den Dörfern in der Altmark und dem Elbe – Havel – Winkel Plattdeutsch noch Umgangssprache war, wichtige Gebrauchsgegenstände.

Einige Beispiele:

Milchwirtschaft
Wer kennt noch Melkschemel, Milcheimer, Milchsieb, Milchkanne, Milchbank, Zentrifuge, Sahnetopf, Butterfass, Buttermolle Butterkelle, Butterform?

Das Backen
Was ist Busch? Buschbinden mit Buschbinder, Buschmiete, Backofen, Backofen heizen, Backmolle, Brottücher, Brotkörbe, Brotpinsel, Brotschieber, Kuchenständer

Die Kartoffel
Wer kennt noch Lochmaschine, Kartoffelkorb, Häufelpflug ‚ Kartoffelhacke, Kartoffelsack, Kartoffelklapper, Kartoffeldämpfer, Kartoffelquetsche

Aus heutiger Sicht alles „alter Kram“. Wenn ich an meine Kinderzeit denke, da wurden viele dieser Gegenstände noch gebraucht. Es gab aber auch Dinge, die meine Großeltern noch in Gebrauch hatten, mit denen wir als Kinder gespielt haben. In den Dörfern wurde viel aufgehoben. Dann hieß es: „Kann man vielleicht noch mal gebrauchen und wegwerfen kann man es immer noch“. Vieles kommt wieder in Mode“ usw. Gut, dass es solche Leute gibt, die alten Kram aufhoben, sonst wären viele Gegenstände verloren gegangen.

„Häm `n ji noch wat ut olle Tieten? Ju bruken dat nich wechtoschmieten!“

Denn wir sammeln solchen alten Kram. Mitte der 9o-er Jahre fragten zwei Lehrerinnen unserer Schule, ob sie sich mit den Schülern unseren Hof ansehen können. „Wie ein Bauernhof ausgesehen hat“, war das Thema. Sie konnten kommen! Gebäude ansehen, alten Backofen bestaunen, erfahren, was früher in Stall und Scheune untergebracht war und das war es.

Tiere hatten wir nicht mehr im Stall, in der Scheune war kein Getreide zum Dreschen mehr gelagert, aber die Räume waren voll-gestellt mit „altem Kram“ („ kann man noch mal gebrauchen“). Nach dem Besuch dieser Schülergruppe hatten wir die Idee, auch anderen Gruppen die alten Gebrauchsgegenstände zu zeigen. Auch im Haus hatten wir noch viele Dinge, die sehenswert waren; also haben wir angefangen, altes Gerät aus Haus, Hof, Garten und Feld zu sammeln und zu einer kleinen Ausstellung zu ordnen. Zum Dorffest im Juni 1998 hatten wir die ersten Gäste, die unsere Sammlung ansehen konnten.

Danach ist ein Raum nach dem anderen dazu gekommen und viele Schüler kommen zu uns und sehen sich den „alten Kram“ an. Man kann im Hofmuseum selbst Butter herstellen, Seile drehen, sich ans Spinnrad setzen, erfährt etwas über Flachsverarbeitung und vieles mehr. Es ist lebendiger Unterricht zum Thema: „Dörfliches Leben vor 100 Jahren.“

Wir freuen uns, wenn es den Schülern und Betreuern bei uns gefällt. Wo? Natürlich! „Bi de Dörplüe in Elb-Hoawel-Winkel“ , „Kennst du dat Land noch nich, denn kumm enns her wi wiesen di dat jeern de Krüüz un quer Wenn du`t irst kennen deist kömmst du jeern werrer lang in miene Heimoat, doa twischen Ello- un Hoawelstrand“


Elb – Havelland Lied – von Edith Läufer
Kennst du dat Land, dat twischen Ello un Hoavel liet?
Wo man van Dom un Harkeberg wiet in dat Land rinsüht?
Wo Haid- un Trübengrawen dörch de Wischen trecken,
un olle Eiken. sick noa `n Himmel recken?
Kennst du dat Land dat twischen Ello un Hoavel liet?
Wo up de Dörp tum Plattspräken ja noch Tiet?
Wo up de Feller Tüffeln, Raps un Weiten stoahn
Dat is mien Heimotland, dat twischen Ello- un Hoavelstrand.
Kennst du dat Land dat twischen Ello un Hoavel liat?
Wo Schwattstorch un Seeadler noch to sehn sind hinner` Diek?
Wo noch to Huus sind Biber, Hirsch un Reh,
un bannig väöl Vawels an’n Schollener See?
Kennst du dat Land noch nich, denn kumm enns her,
Wi wiesen di dat jeern da krüüz un quer.
Vööl Wald un Wischen, een poor Berje un Sej `n;
et jewt so vööl, wo du di kannst an freun!
Wenn du `t ierst kennen deist, kömmst du jeern werrer lang
in miene Heimot, do twischen Ello- un Hoavelstrand.
Drüppen för diene Seel – von Frida Steffen
Drüppen für diene Seel, de kannst du nich köpen.
De gifft dat nich för Jeld.
Loat enns diene Arbeit und Sorjen sind
un loop in Wischen un Feller rin.
Pack di in’n jülden Sünnschien un loat em ok in’t Hart herin.
Hür up de Stimmen vun Heimchen un Immen
un hür, wie de Väwel so fröhlich sing’n.
Freu di an all dat Schöne up de Weit,
denn wet diene Seel jesund ok oahne völ Jeld.
Drüppen för diene Seel, de kannst du nich köpen!
Een frohet Hart – von Frida Steffen
en frohet Hart, dat is dat Best.
Dank Gott, wenn du eent kreegen hest.
Wat sall dat Jammern und at Kloagen,
een jeder mütt sien Schicksol droagen.
IJn kiek nich neidisch up änner Lüüd.
uk de hem Sorjen, de keener süht.
Kick in de Welt met frohen Blick,
de Freud, de kümt to di torük.
Een Minsch, de eenstmols völ belewt,
is dennoch ümmer froh upleegt
Bedacht un froh sünd siene Reden;
he is vör all een wahrer Segen.
He seggt Een frohet Hart, dat is dat Best.
Dank Gott, wenn du eent kreegen hest!