Ein Leben für die Schule

aufgeschrieben von Anneliese Steinborn | geboren 1939 | Fachlehrerin für Mathematik und Physik

Kurt_SchielkeDer heute 93jährige Kurt Schielke blickt mit Freude auf seine Tätigkeit als Hausmeister an der Klietzer Schule zurück. Er wurde am 6.5.1921 in Vietz / Mecklenburg geboren. Kurze Zeit danach zog die Familie wieder nach Klietz, wo Kurt Schielke aufwuchs und eine Tätigkeit als Landarbeiter bei dem Bauern Wilhelm Schulz begann. 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Sein Kriegseinsatz endete 1944 mit einer Verletzung in Russland. Er kam in ein Lazarett nach Deutschland, da er an der rechten Hand den Daumen und Zeigefinger verloren hatte. Von 1944 bis 1945 arbeitete Kurt Schielke im Klietzer Sprengstoffwerk. Diese Tätigkeit wie auch die als Landarbeiter oder die Arbeit in der Baufirma Brüning bzw. im Kleiderwerk brachten ihm wertvolle Lebenserfahrungen.

Am 1.1.1951 begann Kurt Schielke seine Tätigkeit als Hausmeister an der Klietzer Schule. Das war keine einfache Aufgabe. In der Zeit der Naziherrschaft war Klietz durch den Bau des Sprengstoffwerkes im angrenzenden Wald raum- und bevölkerungsmäßig sehr gewachsen. Die 1932 in der heutigen Forststraße 1 neu errichtete Schule reichte schon 1943 nicht mehr aus, so dass in der Seeblickbaracke des ehemaligen Sprengchemiewerkes, im Kantinenbereich, ein Behelfsunterrichtsraum geschaffen wurde.

Die 50er Jahre waren von einer regen Bautätigkeit im Schulbereich geprägt. Das Zentrum der Schule, „Seeblick“, entstand in der Baracke an der Dammstraße. Hier entstanden etappenweise : 9 Unterrichtsräume, Vorbereitungsräume, Lehrerzimmer, Büroräume, Sanitärtrakt und Arbeitsraum für den Hausmeister, teils durch die Firma Brüning, aber zum großen Teil durch Eigenleistungen mit Unterstützung der Kasernierten Volkspolizei (KVP), der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) des Einzugsbereiches, der Nationalen Front unter Leitung von Hans Schneider, der Kollegen, Eltern und Bürger der Gemeinde. Besondere Verdienste erwarben sich in dieser Zeit Kurt und Wilhelm Schielke, Otto und Richard Klitsch, Alfred Landsberger, Wilhelm Wuttke, Harald und Liselotte Schulz und nicht zuletzt der Bürgermeister Hans Heubüschel.
Als Hausmeister der Schule hatte K. Schielke Objekte zu betreuen, die über das ganze Dorf verteilt waren: neben den Seeblickbaracken auch die Schule an der Kirche, in der Forststraße 1, später noch Räume in der Baracke Dammstraße / Höhe Feldstraße und am damaligen „Bomber“, dem heutigen Land-Gut-Hotel Seeblick und ab 1963 den 4-Klassentrakt an der Friedenssiedlung. Der Fakt, dass mehr Unterrichtsräume geschaffen wurden, beseitigte aber keinesfalls die Raumnot. 1951 / 1952 kamen nämlich auch die Schüler ab Klasse 5 aus Neuermark-Lübars, Scharlibbe, für 1 Jahr sogar aus Hohengöhren und ab 1953 die Schüler vom Hohengöhrener Damm in die Klietzer Schule. Ab 1958 wurde durch den Aufbau der Mittelschule noch zusätzlich Platz für die Klassen 9 und 10 benötigt.

Kurzzeitig nutzte man auch eine ehemalige Wohnung in der Forststraße 1 für den Unterricht. Heute ist es kaum vorstellbar, dass 16 Schüler 17 m2 bzw. 14 Schüler in einem kleinen Raum in der alten Schule 10 m2 zur Verfügung hatten. Zusätzliche Arbeit bereiteten die Holzfußböden in den meisten Unterrichtsräumen, die der Hausmeister regelmäßig ölen musste. Probleme gab es in den Räumen im Seeblick, da es in ihnen im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt war. Handschuhe im Unterricht und Unterrichtsgymnastik waren an der Tagesordnung. Der Besuch einer Delegation unter Leitung des Direktors Gerhard Hirschberger bei Wilhelm Pieck ermöglichte 1957 die Beschaffung von Doppelfenstern und Großraumöfen. Wieder stand viel Arbeit an. Selbst im Urlaub baute K. Schielke mit seinem Vater Wilhelm Schielke Waschräume mit Sickergrube am Seeblickobjekt. 1959 entstanden aus einer Scheune neben der damaligen Gaststätte „Haus am Eck“ eine Turnhalle und in der Folge noch ein Sanitärtrakt, ein Geräteraum und ein Pionierleiterzimmer.


Der Um- und Ausbau erfolgte mit Hilfe der Produktionsgenossenschaft Handwerk (PGH) Vereinte Kraft Schönhausen im Rahmen des Nationalen Aufbauwerk (NAW) -Projektes unter Mitwirkung des Pionierregimentes der Nationalen Volksarmee (NVA) und anderer gesellschaftlicher Kräfte. Von der guten Qualität des verwendetes Materials und der Arbeit zeugt, dass nach einem Abschleifen der Sportfeldmarkierungen der Originalparkettfußboden noch heute im Saal des Land-Gut-Hotels genutzt wird. 1960 setzte man wegen Raumknappheit eine Baracke von der Friedenssiedlung auf den Hof des Seeblicks um. Auch das geschah in Eigenleistung. Eine raummäßige Entlastung für die Unterstufe brachte die Einrichtung des 4-Klassentraktes neben der Friedenssiedlung in den Jahren 1962 / 1963. Der Hausmeister, dem zugleich das Heizen oblag, hatte ein immenses Pensum zu bewältigen. Aber nicht einmal hörte man ihn darüber klagen. Hauptobjekt war die Schule Seeblick. Einige Jahre gab es einen Werkraum im Trübenweg gegenüber der Feldstraße . Anheizen musste der Hausmeister auch die von der NVA zur Verfügung gestellte Heizanlage für die Turnhalle am heutigen Land-Gut-Hotel Seeblick. “ Nachgelegt haben wir Sportlehrer dann, damit ein Motor die Heißluft über ein Gebläse in die Turnhalle leiten konnte“, erzählte Sportlehrer Fred Gesierich. Ferner waren die Schulräume an der Kirche, in der Forststraße 1 und ab 1963 auch im 4-Klassentrakt zu beheizen. Etwa um 3 Uhr morgens begann der Arbeitstag des Hausmeisters. Ca. 25 bis 30 Öfen, die ja über das ganze Dorf verstreut waren, mussten bis 8 Uhr 3 Mal versorgt werden, um im Winter annehmbare Raumtemperaturen zu erreichen. Eine Tour machte dabei rund 3 km aus (siehe Skizze). Die Öfen mussten insgesamt 6 Mal pro Tag versorgt werden.

Schulspeisung gab es an der Klietzer Schule bereits seit 1950. Sie bestand zunächst aus Brötchen und Milch. Dann wurde im Wirtschaftsgebäude in der Friedenssiedlung gekocht. Die Bevölkerung spendete Geschirr für die Schulspeisung; teils mussten die Kinder selber Geschirr mitbringen. Als Essenraum diente ein kombinierter Klassen- und Hortraum im Seeblickobjekt. Den Essentransport übernahm der Hausmeister. Im Fahrrad-Anhänger standen Eimer und Töpfe. Später hatte die Schule dafür verschließbare Kübel von der NVA erhalten.Eine Erleichterung gab es für Kurt Schielke, als die Gemeindeverwaltung einen Fahrradhilfsmotor bereitstellte, den Walter Eckert dem Hausmeister ans Fahrrad baute. Weil der Abstand zwischen Motor und der Hacke des Fahrers sehr gering war, nannte die Bevölkerung das Gefährt „Hackenwärmer“.
Kurze Zeit darauf erhielt der Hausmeister ein einfaches Moped mit Rücktritt. Auch hier übernahm Walter Eckert die Einweisung. Zum Glück dachte K. Schielke bei seiner 1. Probefahrt in letzter Minute an den Rücktritt, sonst hätte es einen Tor-, Moped- und vielleicht auch Menschenschaden gegeben. An eine Begebenheit erinnert sich K. Schielke noch heute. Beim Transport des Essens zum Seeblick nahm er eine Kurve zu scharf und der ganze Hänger kippte um. War er froh, dass sich das Essen in den verschließbaren Kübeln und nicht mehr in Eimern oder Töpfer befand! Das Gefährt „Fahrrad mit Hilfsmotor“ bzw. „Moped mit Anhänger“ kannte jeder im Dorf.


schulbusAuch die Bedingungen im Hort waren in den 50er Jahren wirklich nicht einfach. In einem Unterrichtsraum in der mittleren Seeblickbaracke, der auch als Hortraum diente, gaben die Erzieher zunächst das vom Hausmeister antransportierte Essen aus. Es musste abgewaschen werden. Kurti griff überall, wo es notwendig war, mit zu. Alles ging Hand in Hand. Egal, ob im Seeblick, in der alten Schule, in der Forststraße 1, wohin Hort und Schulküche1965 zogen, oder später im 4-Klassentrakt, stets waren die Erzieherinnen mit ihren langjährigen Leiterinnen Marthel Pietsch und Marlis Klitsch um eine wohnliche Ausgestaltung bemüht und immer war die helfende Hand des Hausmeisters gefragt. Die Direktoren der Schule, Herbert Sachse, Gerhard Hirschberger und Anneliese Steinborn, hatten in Kurt Schielke stets einen zuverlässigen Partner, der auch zu allen Mitarbeitern der Schule, den Eltern und der Bevölkerung ein gutes Verhältnis hatte. Liebevoll wurde und wird er noch heute „Kurti“ genannt.

Ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Klietzer Schule wurde 1969 mit demSpatenstich für die neue Schule neben der Friedenssiedlung eingeleitet. In 3 Abschnitten entstand hier bis 1972 eine moderne Schule mit 17 Unterrichtsräumen und 5 Fachunterrichtsräumen einschließlich Vorbereitungsräumen, Sanitärtrakt, Traditionszimmer, Lehrerzimmer, Verwaltungsräumen, Archiv, Wirtschaftsraum, Schülerwarteraum, Raum für die technischen Kräfte, Krankenzimmer, Pionierleiterzimmer, Küchentrakt mit Speiseraum und Heizhaus. Große Anerkennung erwarben sich der Bürgermeister Arno Schulze und die Schulbaukommission unter Leitung des Direktors Gerhard Hirschberger durch ihre konstruktiven Vorschläge. Auch Kurt Schielke wirkte hier aktiv mit.

Mit der Einweihung 1972 endete endlich die Dezentralisierung. Alle Schüler des Ortes, der Ortsteile Scharlibbe und Neuermark-Lübars, von Schönfeld und zuerst auch von Wulkau und Sandau, wurden in der neuen Klietzer Schule unterrichtet. Für den Hausmeister, natürlich auch für die Lehrer, fiel das Hetzen von einem Teilobjekt zum anderen weg. Aber es möge keiner denken, mit der neuen Schule hätte der Hausmeister kaum mehr Arbeit gehabt. Gewiss nicht! Es gab auch künftig noch viele Bauaufgaben wie die Schaffung des Fahrradständers für Schüler sowie für Pädagogen und technische Kräfte, eines Lagerraumes für die Küche, eines Geräte- und Lagerraumes im Schulgarten, einer Wendeschleife für den Bus. Das Anlegen von Gehwegen und einer Betonspurbahn zum Kohlelagerplatz gehörte.

Kurti wirkte stets mit und wusste mit allem Bescheid. Beispielsweise wusste er ohne Bauzeichnung sofort, wo auf dem Hof bei einer Verstopfung zu schachten war. 1979 konnte dann noch eine Turnhalle neben der Schule in Betrieb genommen werden. Da sie bis 22 Uhr durch Arbeitsgemeinschaften und Vereine genutzt wurde, machte sich der Einsatz eines Hallenwarts (Werner Koch) erforderlich. Das Heizhaus, das auch den Kindergarten, die Krippe, das Ambulatorium, die Wohnblöcke und das Landwarenhaus versorgte, wurde durch Heizer rund um die Uhr besetzt. Obwohl die Heizer die Schichten übernahmen, fuhr Kurti trotzdem mit den Heizern Klaus Thiem, Oskar Neumann und der Stellvertreterin des Direktors, Anneliese Steinborn, zum Erfahrungsaustausch nach Berlin, um jederzeit auch selbst bei Havarien und beim Heizen mit einspringen zu können. Mit der neuen Schule gab es leider keine neuen Möbel, die alten wurden mitgenommen, wodurch zusätzliche Reparaturen anfielen.


Als Als Hausmeister war Kurti auch Ansprechpartner für das große Kollektiv der technischen Kräfte. Mit allen kam er gut klar, die Kolleginnen umsorgten ihn. Am Frauentag, dem 8 März, allerdings kannten die Frauen kein Pardon, da musste er den Tisch decken und Kaffee kochen. Wo Not am Mann war, hat Kurti geholfen. Deshalb war es umgekehrt genau so selbstverständlich, dass z.B. die Heizer und der Hallenwart ihm beim Schneeschieben halfen. Beeindruckend waren der Fleiß, die Einsatzbereitschaft, Kameradschaftlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit von unserem Kurti.

Hervorzuheben ist seine engagierte Mitarbeit nicht nur bei allen baulichen und technischen Maßnahmen, sondern auch bei den verschiedensten Veranstaltungen, wie z.B. bei den Schulbegehungen. Zu Veranstaltungen am Abend war er stets zum Auf- und Abschließen zur Stelle. Da Kurt Schielke aus einer Familie mit 10 Geschwistern stammte, war er von Kindheit an zum Sparen erzogen und das blieb auch seine Lebensmaxime. Auch als Hausmeister achtete er sehr auf Sparsamkeit. Z.B. hielt er seine Hände über Kreide, Kreidelappen und Schwämme. Er wusste: „Ihr habt doch gestern oder Montag erst einen neuen Lappen bekommen! Kreide und Lappen sind knapp!“ Niemand durfte allerdings auf den Boden in sein Vorratslager im Heizhaus sehen. Er hatte immer gute Vorräte.

Kurti selbst lebte sehr bescheiden. Nicht verwunderlich ist es deshalb, dass er die Geldzuwendungen zu seinem 90. Geburtstag nicht für sich verwendete, sondern für sein Patenkind in Kenia spendete. Kurti identifizierte sich stets voll und ganz mit seiner Schule. Davon zeugt wohl auch sein Ausspruch: „Ich und der Direktor….“. Zu allen Schulhöhepunkten war er mit dabei, von der Kleinen Friedensfahrt bis zum Appell. Er leitete auch gern Schüler bei Arbeiten auf dem Schulgelände an.

Mit Ausnahme von 3 Tagen Krankschreibung nach einem Arbeitsunfall, wobei er eine Fingerkuppe einbüßte, fehlte Kurt Schielke nicht einen Tag in all den vielen Jahren von 1951 bis 1990. Die letzten 2 Arbeitsjahre hängte er an, um den nachfolgenden Hausmeister, Peter Rudloff, noch einzuarbeiten. Nie brauchte sich unser Kurti über einen Schüler beschweren. Die Schüler begegneten ihm stets mit Achtung, weil auch er ihnen mit Achtung begegnete. Wo es was zu helfen gab, fassten die Schüler emsig mit zu. Von der Hochachtung der Schüler vor dem Hausmeister zeugt auch, dass er oft Einladungen zu Klassentreffen erhielt.

Durch viele Auszeichnungen wie „Aktivist der sozialistischen Arbeit“ oder die Medaille „Verdienter Aktivist“ wurde sein Engagement für die Schule gewürdigt. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass unser Hausmeister trotz seines selbstlosen Einsatzes für die Schule ein guter Vater für seine große Familie mit 7 Kindern war. Noch heute schwärmt Kurt Schielke, der bei seiner Tochter Erika Wende in Berlin lebt, von der Zeit als Hausmeister an der Klietzer Schule. Seine Schlagfertigkeit und Witzigkeit tragen noch heute oft zur Erheiterung bei. Noch immer hilft er im Haus und Garten und erinnert die Familie an Termine. Aus alter Verbundenheit feierte Kurti seinen 90. Geburtstag mit ehemaligen Kollegen in Klietz im Land-Gut-Hotel Seeblick.

Das Schönste für ihn in seinem Arbeitsleben war das gute Zusammenwirken aller Kollegen und vor allem, „dass alle Schüler so lieb und hilfsbereit zu mir waren“.


Quelle: Das Wissen der Region Band 4