Was Klietz mit der kleinen weißen Friedenstaube verbindet

Durch den russischen Überfall auf die Ukraine wurde alles zum Thema Frieden in Deutschland wieder sehr populär. In der DDR gab es ein bekanntes Lied dazu – jenes von der kleinen weißen Friedenstaube.

Von Ingo Freihorst | 03.03.2022

Das Foto entstand vor fast zehn Jahren bei einem Jubiläum: Erika Schirmer (von MItte), die Autorin des in der DDR allbekannten Liedes von der kleinen weißen Friedenstaube, stammt aus dem polnischen Nietkow, einem Ortsteil der Klietzer Partnerstadt Czerwiensk. Archivfoto: Ingo Freihorst

 

Klietz/Nietkow – Der aus Klietz stammende ehemalige Kriminalkommissar Lothar Schirmer, der seiner alten Heimat immer noch sehr verbunden ist und deshalb vor Jahren auch eine interessante und stets aktuelle Internetpräsentation über Klietz erstellt hat, ist auch oft in den sozialen Netzwerken unterwegs. Dabei stieß er auch auf den Text des in der DDR populärsten Friedensliedes, was damals jeder Schüler kannte: Die kleine weiße Friedenstaube. Zufällig trug die Autorin Erika Schirmer den selben Familiennamen wie er – sie sind aber nicht verwandt, betont Lothar Schirmer.

Dazu hat er folgendes Schreiben verfasst: „Wer hätte gedacht, dass der Text dieses Kinderliedes noch einmal für uns, mitten in Europa einen so aktuellen Bezug haben wird. Der älteren Generation, zu denen ich auch gehöre, klingt die Melodie noch im Ohr und wir kennen den Text, zumindest die erste Strophe. 

Altes Lied kommt wieder zu Ehren

Der Krieg in der Ukraine ist Anlass für viele, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, die erste Strophe des Liedes zu verbreiten. So landete sie auch auf meinem Handy. Neben dem Text auch ein Foto einer freundlich lächelnden älteren Dame. Sie heißt Erika Schirmer und schrieb vor mehr als 70 Jahren dieses Lied. 

Geboren wurde sie im polnischen Nietkow, einem Ortsteil von Czerwiensk an der Oder. Im Krieg floh sie nach Deutschland und arbeitete als junge Kindergärtnerin im Harz. Inspiriert von Picassos Friedenstaube schrieb sie das Lied und sang es gemeinsam mit den Kindern, die sie betreute. 

Schlichte Worte und eingängige Melodie

Wie ein Lauffeuer eroberten ihre Zeilen die Kindergärten und Schulen in der DDR. Bis Ende der 1980er Jahre gehörte es zum festen Liedgut und war in allen Lehrbüchern zu finden. Die Botschaft der Verfasserin, die 2021 ihren 95. Geburtstag feierte, kündet von der Sehnsucht nach Frieden und ist mit ihren schlichten Worten und der einfachen Melodie wie kaum ein anderes Lied geeignet, diesen Gedanken schon bei den Kleinsten zu verankern. 

Heute ist das Lied komplett aus den Lehrbüchern verschwunden. Schade! Aber vielleicht gibt es in unserem Land noch Erzieherinnen, die mit ihren Schützlingen eine Friedenstaube malen und das Lied von der kleinen weißen Friedenstaube singen.“

Was Lothar Schirmer erst beim Telefongespräch mit dem Verfasser dieser Zeilen erfuhr: Dieser hatte diese imponierende Frau zusammen mit anderen Klietzern sogar schon persönlich kennenlernen dürfen. Und zwar in ihrem Geburtsort, welcher zu dieser Zeit zu Deutschland gehörte und durch die Folgen eines Krieges an Polen fiel – wodurch die hier wohnenden Deutschen vertrieben wurden. Das Treffen war vor fast genau zehn Jahren, als die Klietzer zum 15-jährigen Bestehen der partnerschaftlichen Beziehungen in ihre Partnerkommune Czerwiensk eingeladen waren. Dabei wurde auch die frisch sanierte Grundschule in Nietkow eingeweiht.

Alle Deutschen sangen das Friedenslied gemeinsam

Damals, also im Oktober 2012, stand unter anderem dieses in der Zeitung: „Es war schon ein sehr ergreifender Augenblick, als in der frisch sanierten Schule des Czerwiensker Ortsteiles Nietkow alle Deutschen das altbekannte Kinderlied von der ,Kleinen weißen Friedenstaube’ sangen: ,Du sollst fliegen Friedenstaube, allen sag es hier, dass nie wieder Krieg wir wollen, Frieden wollen wir.’

Das geschah aus gutem Grund: Erika Schirmer, die Schöpferin dieses in der DDR allen Kindern bekannten Liedes, war zum Jubiläum in ihren Geburtsort zurückgekehrt. Im damaligen Polnisch-Nettkow wurde sie 1926 unter dem Familiennamen Mertke geboren, im Winter 1945 musste sie wie alle anderen Deutschen auf der Flucht vor der heranrückenden Front eilig ihre Heimat verlassen. Es wurde eine Flucht ohne Wiederkehr – Erika Schirmer wohnt jetzt in Nordhausen. 

Vertriebene wollen keinen Krieg mehr erleben müssen

Die Odyssee eines anderen Nettkowers endete in Hoyerswerda, ein dritter strandete auf der Insel Rügen. Weil alle überhastet aufbrachen, gibt es kaum noch Erinnerungsstücke an die alte Heimat, auch die Verbindungen fehlen. Doch eines ist den drei Senioren gemeinsam: Einen Krieg wollen sie nie wieder erleben – und haben darum ihren Frieden auch mit der Vergangenheit geschlossen. Sie alle freuten sich, dass Schule, Klubhaus sowie viele Wohnhäuser in Nietkow saniert wurden. Anwesend waren bei der deutsch-polnischen Feierstunde auf ausdrücklichen Wunsch von Erika Schirmer auch Schüler aus Nietkow, die viele Fragen an die ,Ureinwohner’ hatten: Wo habt ihr gewohnt oder wie war es in der Schule? 

Neben den drei ehemaligen Nettkowern waren Delegationen aus Klietz sowie aus dem Drebkauer Ortsteil Greifenhain – er liegt in der brandenburgischen Lausitz – an die Oder gekommen. Die Greifenhainer und Nietkower besuchen sich seit vielen Jahren bei Sport- und Dorffesten, denn Drebkau ist ebenfalls Partnerstadt von Czerwiensk.“

Die Beziehungen zwischen Klietz und Czerwiensk begannen 1997 durch das Oder-Hochwasser. Kurz danach hatte Klietz bei der polnischen Botschaft nachgefragt, welchen Ort man dort unterstützen könne. Die Wahl fiel auf Czerwiensk, dort waren die Ortsteile Laski und Nietkow betroffen – das Hochwasser hatte hier teils bis zu anderthalb Meter hoch gestanden. Die Klietzer spendeten Geld und Mobiliar.

Der Liedtext: 

Kleine weiße Friedenstaube, fliege übers Land; Allen Menschen, groß und kleinen, bist du wohlbekannt.

Du sollst fliegen, Friedenstaube, allen sag es hier, dass nie wieder Krieg wir wollen, Frieden wollen wir.

Fliege übers große Wasser, über Berg und Tal; Bringe allen Menschen Frieden, grüß sie tausendmal.

Und wir wünschen für die Reise Freude und viel Glück, kleine weiße Friedenstaube, komm recht bald zurück.

Ein Link zum Anhören

Dirk Michaelis, Sänger der ehemaligen DDR-Band „Karussell“ ( bekannt vor allem durch sein Lied „Als ich fortging“) vertonte das Lied mit einem Kinderchor neu. Unter dieser Internetadresse ist es zu finden.

https://www.youtube.com/watch?v=1ks8uep07tE