AUSBRUCH
Angst vor Schweinepest

Die Afrikanische Schweinepest hat Deutschland erreicht. Auch bei den Schweinebetrieben im Elb-Havel-Winkel schrillen die Alarmglocken.

Von Anke Schleusen-Reinfeldt | 13.09.20

Die Scharlibbe Schweineaufzuchtanlage samt Biogasanlage aus der Luft gesehen. Foto: Anke Schleusner-Reinfeldt

 

Fischbeck/Scharlibbe l „Die Frage ist nicht, ob die Schweinepest nach Deutschland kommt, sondern wann“, hatte Adriaan Dingemanse von der GFS-Besamungseberstation in Fischbeck vor zweieinhalb Jahren im Volksstimme-Gespräch gesagt, als im benachbarten Tschechien die Pest ausbrach. „Wann“ ist jetzt! Im Land Brandenburg ist ein totes Wildschwein positiv auf das Virus getestet worden.

Das versetzt die Betreiber der hiesigen Betriebe in Alarmbereitschaft. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass es weder im Betrieb noch in der Nähe einen Befund gibt. Denn in der Nähe würde bedeuten, dass eine Sperrzone eingerichtet wird. Nichts darf rein in oder raus aus dem Betrieb. „Das wäre die Katastrophe“, will Ute Panther von der Scharlibber Agrargenossenschaft „Elbeland“ gar nicht so weit denken. „Sauen sind knapp vier Monate tragend. Selbst wenn wir die Besamung umgehend stoppen, wird wöchentlich abgeferkelt und wir haben binnen zehn Wochen 5000 Tiere mehr im Stall – wo sollen wir sie lassen?“ Pro Woche werden in den Scharlibber Ställen 500 bis 700 Ferkel geboren, die als Läufer im Alter von etwa elf Wochen an Mastbetriebe verkauft werden. Insgesamt stehen in der Anlage rund 8000 Tiere.

Die Hygienemaßnahmen sind höchsten Standards, „mehr geht nicht“. Ute Panther nennt als Beispiele einen hohen Zaun samt Unterwühlschutz gegen den „Besuch“ anderer möglicherweise kranker Tiere und das Schwarz-Weiß-Prinzip: Mitarbeiter und auch die Spediteure gelangen nur durch eine Schleuse in den Stall, duschen und ziehen komplett neue vom Betrieb gestellte Kleidung an. Dinge, die unbedingt mit in die Ställe müssen, kommen in eine UV-Schleuse – das Licht tötet die Keime ab.

Preise fallen in den Keller

Die Schweinepest in Deutschland hat für die Agrargenossenschaft noch viel weitreichendere Folgen. „Die Schweinepreise werden in den Keller rauschen. Derzeit bekommen wir für ein 25-Kilo-Ferkel 39 Euro, dem Aufwand gerecht wären 45 Euro. Aber wir können mit den 39 Euro leben, es gab schon schlechtere Zeiten. Wenn aber der große asiatische Markt kein Schweinefleisch mehr aus Deutschland nimmt, fallen die Preise ins Bodenlose.“ Dann stünde der Betrieb vor einem Dilemma. Denn wenn „Elbeland“ den Bestand von 1000 Sauen reduziert, geht das gesamte Konzept und der Kreislauf nicht mehr auf. „Und wenn sich die Lage irgendwann wieder bessert, müssten wir Sauen einkaufen. Das ist nicht nur teuer, sondern verstößt auch gegen unser Prinzip, dass wir einen geschlossenen Kreislauf haben und unsere Sauen selbst züchten, damit kein fremdes Tier in den Stall kommt.“

Tierwohl: Ställe müssen umgebaut werden

Eigentlich wäre „Elbeland“ jetzt mit den üblichen Arbeiten in den Ställen und mit der recht guten Maisernte beschäftigt. Aber der Berg zusätzlicher Arbeit türmt sich immer weiter auf: Natura 2000, Deichrückverlegung für Polder im Klietz-Scharlibber Bereich, Dürre, nun die Schweinepest und oben drauf noch eine brennende Strohmiete. „Eigentlich müsste ich mich jetzt intensiv mit der Umgestaltung der Ställe beschäftigen.“ Denn es gibt eine neue Verordnung zur Tierschutz-Nutztierhaltung, die die Regierung gerade verabschiedet hat. Das bedeutet auch für die Agrargenossenschaft, intensiv umzubauen, obwohl der Betrieb erst 2012 umfassend den damals geltenden Vorschriften entsprechend modernisiert worden ist. Tiere dürfen nun nicht mehr im Kastenstand stehen, sondern müssen in Gruppen gehalten werden, für das Abferkeln muss mehr Platz zur Verfügung stehen. „Das bedeutet, dass wir hier alles umkrempeln können. Bevor wir mit den kostenintensiven Arbeiten beginnen, die innerhalb von fünf Jahren abgeschlossen sein müssen, brauche ich erst einmal ein Gesamtkonzept. Aber wie soll man bei all den Problemen daran arbeiten können? Und vor allem: Wie sollen wir das finanzieren, wenn uns die Schweinepest nun Preiseinbrüche bescheren wird“, ist der Kopf von Ute Panther und allen Mitarbeitern voller Sorgen. „Einfach nur zu arbeiten, ohne Probleme zu wälzen und Sorgen zu haben, ist derzeit nicht drin.“ Deshalb ist die Forderung nach drastischen Maßnahmen zum Schutz vor einer weitflächigen Ausbreitung der Schweinepest energisch, „sonst gibt es bald keine Schweinezucht mehr“.

Auch Eberstation ist besorgt

Am Anfang der Zuchtkette stehen die Besamungseberstationen, wie es sie auch in Fischbeck gibt. Adriaan Dingemanse ist hier seit 2008 Stationsleiter. Schon 2013 beim Deichbruch musste er den Betrieb durch stürmische Zeiten manövrieren – erfolgreich. Immer wieder wird modernisiert. Zuletzt hat der Stall im Betriebsteil Kleinmangelsdorf, wo 200 Eber stehen, eine Klimaanlage erhalten. Das ist auch für Fischbeck geplant. Hier sind es 350 Eber, deren Sperma an Abnehmer in ganz Deutschland verschickt wird. Fischbeck gehört zur Unternehmensgruppe GFS, die in Deutschland sechs Betriebe hat, Fischbeck mit insgesamt 550 Tieren ist der größte.

Dass der Betrieb selbst von der Seuche befallen werden könnte, sei bei alle den Schutzmaßnahmen unwahrscheinlich, „wir sind wie alle professionellen Anlagen gut gesichert und es gelten höchste Hygienestandards. Aber wenn Betriebe, die wir beliefern, in eine Sperrzone fallen, dann darf nichts mehr rein – auch kein Sperma“. Adriaan Dingemanse berichtet von den Schutzmaßnahmen, die generell gegen die Übertragung von Krankheiten gelten, „schließlich fahren wir von Betrieb zu Betrieb, was ein Risiko birgt. Die Fahrer, die ohnehin nur einen gesicherten Bereich betreten, tragen Handschuhe und auch Überschuhe – alles Einwegmaterial, das vor der Weiterfahrt entsorgt wird.“ Dazu in Fischbeck und Kleinmangelsdorf natürlich das Schwarz-Weiß-Prinzip und UV-Schleuse. Jetzt mit der aktuellen Situation werden alle Mitarbeiter noch einmal sensibilisiert. „Wenn man schon lange etwas macht, können sich Nachlässigkeiten einschleichen. Aber jeder ist sich bewusst, welche fatalen Folgen es haben könnte“, weiß Adriaan Dingemanse, dass er sich auf die Mitarbeiter verlassen kann.

Verlassen möchte er sich auch auf die übergeordneten Gremien. „Sie müssen alles Erdenkliche veranlassen, damit sich die Schweinepest nicht maßlos ausbreitet.“