Abschied von der Schule –
Kapl: „Es war immer ein Geben und Nehmen“

25 Jahre hat Christine Kapl die Grundschule in Klietz geleitet. Nun geht sie in Rente und spricht über Erinnerungen und Wünsche.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt | 22.06.2016

Christine Kapl mit Schülern im Schulgarten – ihrem Lieblingsplatz. Foto: Jacqueline Stempin

Am Freitag läutet die Schulglocke ein letztes Mal für Sie. Wehmut oder Freude – was überwiegt?

Christine Kapl: Alles hat seine Zeit. Ich empfinde sowohl Wehmut als auch Freude. Wehmut, weil ich meinen Job immer gern gemacht habe, weil es immer ein Geben und Nehmen gewesen ist, und weil ich immer sehr viel von meinen Schülern zurückbekommen habe. Freude, weil ich nun mehr Freizeit habe und auch mal außerhalb der Schulferien Urlaub machen kann. Vor allem ist mein Ruhestand weniger fremdbestimmt als bisher.

 Seit 1973 gehörten sie zum Team der damaligen Hermann-Matern-Oberschule. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeiten?

Nach meiner Schulzeit in Havelberg absolvierte ich ein vierjähriges Studium in Staßfurt. Durch die Arbeit meines Mannes, der nach dem Studium nach Neuermark-Lübars kam, kam ich an die Klietzer Schule. Ich begann gleich mit einer 1. Klasse. Später unterrichtete ich nicht nur in der Unterstufe, sondern auch in der Oberstufe. Ich leitete 40 Jahre den Chor der Schule, bevor Carmen Koch den Chor erfolgreich vor ein paar Jahren übernahm. Und ich leitete neben meiner Unterrichtsarbeit eine Arbeitsgemeinschaft Tierproduktion für die Schüler der Oberstufe. Hier zogen wir Ferkel auf, hatten eine tragende Sau und Schafe. Vom Erlös konnten wir uns eine Flugreise nach Budapest leisten.

 Mit der Wende wurde das Schulsystem umgekrempelt und Sie wurden zur Leiterin der Grundschule. Lief alles reibungslos?

Die Aufgabe als Schulleiterin war für mich Neuland. Aber Dank meiner Kollegen, die mit mir gemeinsam an einem Strang gezogen haben, verlief der Anfang ziemlich reibungslos. Hilfreich war auch die gute Zusammenarbeit mit den anderen Schulleitern aus dem ostelbischen Raum, die ebenfalls neu in dieser Position waren. Eine besonders gute Zusammenarbeit hatte ich mit Gabriele Bos in Schönhausen, mit der ich schon durch das gemeinsame Studium besonders gut zusammengearbeitet habe.

 Die Schule hat sich recht schnell dem Umwelt- und Naturschutz verschrieben. Wie kam es dazu?

Die Entscheidung wurde von allen Schülern, Eltern und Lehrern getroffen. An erster Stelle stand und steht die Bildung und Erziehung unserer Schüler. Aber unser Profil sollte eine umweltorientierte Grundschule sein. Das lag nicht nur auf der Hand, es lag direkt vor unserer Schultür: Wiesen, Wälder, Felder, ein großer See und sogar ein paar Hügel.

 Alle Dinge aufzuzählen, die in 25 Jahren umgesetzt wurden, würde sich eine Zeitungsseite füllen…

Wenn man sich die 25 Ordner anschaut, dann ist man überrascht und stolz, was in diesen Jahren alles geschafft und geschaffen wurde. Ich bin auch überwältigt, wie viel Hilfe wir stets von Betrieben, Einrichtungen und Privatpersonen erhielten. Das ist nicht selbstverständlich und dafür möchte ich mich bei allen bedanken, die uns all die Jahre begleitet und unterstützt haben.

 Man merkt bei jeder Aktion, dass die Kinder voller Eifer bei der Sache sind. Ist es schwer, die Kinder immer wieder zu motivieren?

Kinder zu motivieren ist nicht schwer. Wenn auch noch die Lehrer für eine Sache brennen, dann überträgt sich das auch auf die Schüler. Und ich hatte und habe immer Kollegen an meiner Seite, die viel Engagement, Teamgeist und Zuverlässigkeit eingebracht haben und die für die Ideen brannten.

 Dem Engagement der Schüler ist auch das Bodentrampolin zu verdanken, das jetzt für den Schulhof angeschafft werden konnte…

Viele Jahre haben wir an der Aktion „Kinder laufen für Kinder“ teilgenommen und Kinder in Afrika unterstützt. Aber die Kassen der Gemeinden sind leer und so haben wir mit Unterstützung der Betriebe und Einrichtungen die Aktion „Kinder laufen für ihren Schulhof“ vor einigen Jahren gestartet. Wir möchten ein Bodentrampolin anschaffen. Diese Aktion fördert den Teamgeist, stärkt den Körper und den Geist und es macht obendrein noch Spaß.

 Die Klietzer Schüler machen auch im Platt von sich Reden und fehlen auf keinem Dorffest bei der Programmgestaltung – um sich auf alles vorzubereiten, reicht die reine Unterrichtszeit sicher nicht aus?

Das Plattdeutsch hat durch Edith Läufer in unserer Schule Einzug gehalten. Über viele Jahre hat sie die Kinder erfolgreich angeleitet. Ich habe sie über Jahre begleitet und die Arbeitsgemeinschaft dann übernommen. Da in diesem Jahr Klietz der Austragungsort für den Plattdeutsch- Vorlesewettbewerb der Altmark ist, werde ich auch mit dem neuen Schuljahr Schüler auf den Vorlesewettbewerb vorbereiten.

 Seit zwei Jahren lernen auch die Schollener Kinder in Klietz. Wenn ich die Schüler beobachte, sehe ich, dass sie Freunde geworden sind…

Stimmt! Ich freue mich sehr, dass die Schollener Schüler und Eltern bei uns angekommen sind. Viele gemeinsame Projekte haben die Klassen zusammengeschmiedet.

 Auch mit den Eltern gibt es eine gute Zusammenarbeit?

Mit den Eltern gibt es eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit. Sie haben vielfältige Möglichkeiten am Schulleben teilzuhaben und sich für die Belange der Kinder einzusetzen. Viele Eltern nutzen diese Möglichkeiten und gestalten so das Schulleben mit.

 Sie sind eine Frohnatur. Haben Sie sich in 25 Jahren auch über etwas geärgert?

Tja, geärgert? Ich kann mich nicht erinnern. Jeder Ärger verlangt nach einer Lösung und die haben wir stets zusammen gefunden. Aber traurig war ich schon des Öfteren. Vor allem, wenn es um Schulschließungen ging. Jede Gemeinde will verständlicherweise ihre Schule behalten. Denn mit jeder Schließung stirbt ein bisschen die Region. Besonders die Schließung der Schollener Schule hat mich sehr berührt und mir so manche schlaflose Nacht beschert.

 Zwischenzeitlich mussten Sie auch die Sandauer Grundschule für ein Jahr lang leiten? Ist so eine Verantwortung für zwei Einrichtungen eine praktikable Lösung?

Die Leitung einer zweiten Schule kann nur eine Übergangslösung sein. Denn auf Dauer leiden beide Schulen. Jede Schule hat verdient, seinen eigenen Schulleiter zu haben.

 Das Schulgebäude und die Klassenzimmer machen einen guten Eindruck, der Schulhof bietet genug Möglichkeiten der aktiven Freizeitgestaltung, der Sportplatz ist vorzeigbar – gibt es dennoch etwas, was unbedingt gebraucht wird? Im Gespräch ist ja, dass ein Computerkabinett eingerichtet werden soll.

Materiell sind wir recht gut ausgestattet. Es wäre toll, wenn es mit einem Computerkabinett klappen würde. Unsere Computertechnik ist total veraltet.

 Nun wird der damalige Schollener Schulleiter Gunnar Berg neben Sandau auch die Verantwortung für Klietz übernehmen. Was wünschen Sie sich von ihm für die Schule?

Ich wünsche mir, dass viele Dinge, die über Jahre Tradition geworden sind, weitergeführt werden. Ich wünsche mir für Schüler, Eltern und Lehrer eine vertrauensvolle Zusammenarbeit

 In diesem Jahr wird auch ihr Mann Ottmar, der die Agrargenossenschaft „Elbeland“ leitet, in den Ruhestand gehen. Womit werden sie ihre Freizeit ausfüllen?

Wir werden uns mehr Zeit für die Familie nehmen können, sicher werden wir unserem Hobby, dem Wandern, nachgehen und sicher auch einiges für die Gesundheit tun. Vielleicht auch noch ein neues Hobby beginnen – mal sehen.

 Wenn Sie Bildungsministerin wären: Welche drei Dinge würden Sie umgehend umsetzen?

Ich hätte viele Wünsche an unseren Bildungsminister. Aber meine Wünsche gehen vor allem an unsere Politiker, nämlich, unbedingt den ländlichen Raum zu stärken. Ich wünsche den Betrieben, dass es ihnen gut geht. Ich wünsche ihnen immer volle Auftragsbücher, viel Arbeit und viel Erfolg. Und dieser Wunsch ist nicht uneigennützig. Ohne Aufträge keine Betriebe. Ohne Betriebe keine Arbeit. Ohne Arbeit keine Kinder, ohne Kinder keine Schule. Ja, das ist leider so, die Zahl der Kinder geht zurück. Wenn die Entwicklung anhält, dann ist irgendwann auch unser Bestand gefährdet. Deshalb ist die Stärkung des ländlichen Raumes besonders wichtig.