Ottmar Kapl –
Ein Urgestein nimmt seinen Hut

Als Vorsitzender hat Ottmar Kapl die Agrargenossenschaft zusammen mit der Belegschaft in Scharlibbe zu einem zukunftsträchtigen Betrieb aufgebaut.
Von Anke Schleusner-Reinfeldt | 02.11.2016

Die Ferkelaufzucht bestimmte das Berufsleben von Ottmar Kapl. Foto: Anke Schleusner-Reinfeldt

Scharlibbe l Mit 65 Jahren ist es für Ottmar Kapl Zeit, in Ruhestand zu gehen. Anke Schleusner-Reinfeldt sprach mit ihm über Erreichtes und Wünsche für die Scharlibber Agrargenossenschaft „Elbeland“ eG. Der Kapitän verlässt das Schiff. Ute Panther hält nun das Steuer in der Hand. Fährt Sie durch ruhiges Fahrwasser oder stehen in der Landwirtschaft stürmische Zeiten an?

Ottmar Kapl:
Landwirte sind Landwirte und Seeleute sind Seeleute. Ich will damit sagen, dass Vergleiche oft hinken. Ich weiß, dass ich in den 34 Jahren als Geschäftsführer eine besondere Verantwortung für unsere Genossenschaft getragen habe. Aber: Ich habe mich nie als Kapitän gefühlt, der einsam ein Schiff steuert und Befehle erteilt. Wir haben einen Vorstand und einen Aufsichtsrat, die den Kurs bestimmen. Außerdem haben wir eine tolle Mannschaft, die hinter dem Betrieb steht. Ich verlasse auch nicht das „Schiff“, sondern gebe die Verantwortung in jüngere Hände. Aber bleiben wir bei dem Vergleich: Ich habe mehr stürmische Zeiten erlebt als ruhiges Fahrwasser. Gegenwärtig stehen die Zeichen auf Sturm! Unser Schiff ist seetüchtig. Es ist also den Anforderungen der bevorstehenden Reise gewachsen. Ute Panther ist seit mehr als 20 Jahren in unserer Genossenschaft tätig. Sie kommt aus der Praxis und hat einen Hochschulabschluss. Von nun an trägt sie eine besondere Verantwortung. Aber sie ist nicht allein. Arnim Glimm ist mit Leib und Seele Landwirt und weiterhin für die Pflanzenproduktion verantwortlich. Frank Schirmer leitet die Schweinehaltung und die Biogasproduktion. Er hat sich sehr erfolgreich qualifiziert, um seine Verantwortung künftig noch besser wahrnehmen zu können. Der Aufsichtsrat wird weiterhin von Karl-Friedrich Peters geleitet. Kontinuität ist also gewährleistet.

Von Wegbegleitern und Geschäftspartnern haben Sie sich bereits verabschiedet. Aber so ganz nehmen sie Ihren Hut noch nicht …

Ich werde einige Dinge, die ich angefangen habe, noch zu Ende bringen. Das betrifft insbesondere die Beseitigung der Flutschäden von 2013. Wenn nötig, werde ich der neuen Geschäftsführung beratend zur Seite stehen. Außerdem bleibe ich Mitglied der Genossenschaft und bin auch gerne bereit, ein Ehrenamt zu übernehmen.

Werfen Sie einen Blick zurück auf die Zeit, als die Genossenschaft gegründet wurde.

1953 wurden in Scharlibbe die LPG „Leuchtender Morgen“ und in Klietz die LPG „Neuer Weg“ gegründet – sie waren unsere Vorgänger. Nach verschiedenen Verschmelzungen und Spaltungen in den 50er und 60er Jahren schlossen sich die LPG Klietz und Scharlibbe 1976 zusammen. Dieser Zusammenschluss stand im Zusammenhang mit den Bauvorbereitungen für einen Schweinestall mit 1 200 Sauenplätzen in Scharlibbe. Ab 1979 gab es dann eine spezialisierte LPG Tierproduktion und eine LPG Pflanzenproduktion. Ich wurde seit 1982 in der LPG (T) „Elbeland“ Klietz tätig und von der Mitgliederversammlung als Vorsitzender gewählt. Der Sauenstall in Scharlibbe war ein Typenprojekt und wurde 45mal in der DDR gebaut. Die meisten Anlagen haben die Wendezeit überstanden und sind heute noch in Betrieb. Allerdings waren viele Modernisierungen erforderlich.

Viele LPG wurden nach der Wende liquidiert – Scharlibbe nicht …

Die Bedingungen waren ja sehr unterschiedlich. Generell muss man aber sagen: Es gibt noch eine Reihe von Agrargenossenschaften, die meist aus den LPG hervorgegangen sind. Die LPG war eben kein Volkseigentum, sondern auch zu DDR-Zeiten Eigentum der Mitglieder. Auch wenn deren Rechte teilweise eingeschränkt waren. Volkseigene Betriebe gibt es seit der Wende nicht mehr, wohl aber Genossenschaften. Bei uns hatten sich insbesondere die Landeigentümer unter den Mitgliedern dafür eingesetzt, dass der Betrieb in dieser Rechtsform weitergeführt wird. Ich denke da unter anderem an Willi Glimm, Willi Seemann, Karl Hasenfuß und Alfred Gagelmann. Unser Anlagevermögen wäre bei einer Liquidation nichts wert gewesen. Die einzige Möglichkeit, das Vermögen zu retten, haben wir in der Weiterführung und Weiterentwicklung des Betriebes gesehen. Das war ein langer Prozess mit Höhen und Tiefen, aber schließlich erfolgreich.

Ferkelaufzucht, Milchviehhaltung und Feldbau allein reichten nicht, um den Betrieb zu sichern. Es gibt weitere Standbeine …

Ja. 2009 haben wir unsere Biogasanlage in Betrieb genommen. Erste Überlegungen zum Bau einer Biogasanlage hatte es bereits 1991 gegeben. Aber erst 2009 waren die Bedingungen dafür optimal. Insbesondere bin ich froh, dass wir uns für den richtigen Standort entschieden haben. Wir betreiben dort eine echte Kreislaufwirtschaft und konnten insbesondere die Energie­kosten für unsere Schweineställe erheblich senken. Gülle macht mehr als 60 Prozent des Substrateinsatzes für die Biogasanlage aus. Die Anlage läuft auch nach sieben Jahren noch gut. Aber das ist kein Selbstläufer. Als erstes braucht man gute Silagen. Dann ist es wichtig, regelmäßig und rechtzeitig die Wartungsarbeiten durchzuführen und Stillstandszeiten zu vermeiden. Und wenn es zum Stillstand kommt, dann muss sofort jemand hin, um den Schaden zu beheben, egal ob Tag oder Nacht. Da leisten Frank Schirmer als Verantwortlicher und Thomas Zarwel als Anlagenfahrer eine gute Arbeit. Außerdem betreiben wir auch eine Photovoltaikanlage. Diese leistet auch einen Beitrag zur Finanzierung der umfangreichen Investitionen, insbesondere in den Schweineställen.

Die Milchviehhaltung ist abgeschafft – eine Folge des andauernd niedrigen Milchpreises?

In der Milchviehhaltung findet seit Jahren ein Strukturwandel statt. Unser Investitionsschwerpunkt lag in der Schweinehaltung. Wir hatten nicht die Kraft, in gleichem Maße in die Milchviehhaltung zu investieren. Durch die Flut 2013 wurde unsere Weidezentrale vernichtet. Damit waren Investitionen jetzt nicht mehr zu umgehen. Wir hatten die Absicht, einen neuen Kuhstall zu bauen. Durch die anhaltend niedrigen Milchpreise haben wir jedoch keine Chance gesehen, die Investitionen zu bezahlen.

In Zeiten, in denen sich das Wort „vegetarisch“ in den Köpfen der Verbraucher breit macht, rentiert sich da Ferkelaufzucht überhaupt noch?

In den letzten 25 Jahren war es immer schwierig, mit der Schweinehaltung Geld zu verdienen. Eigentlich geht Ihre Frage doch wohl in die Richtung, ob wir in Zukunft überhaupt noch eine Tierhaltung zum Zweck der Lebensmittelproduktion brauchen und ob dies ethisch vertretbar ist. Ich sage: Ja! Im Jahre 2050 werden 9,7 Milliarden Menschen auf der Welt leben und 2100 voraussichtlich 11,2 Milliarden. Ohne Tierhaltung kann man diese Menschen nicht ernähren. Natürlich kann man darüber nachdenken, ob man seinen Fleischkonsum reduziert, aber der Mensch ist kein reiner Pflanzenfresser. Vor allem sollten wir aber streng darauf achten, dass wir keine Lebensmittel verschwenden oder vergammeln lassen. Die Idee von der fleischlosen Ernährung wird teilweise von der Industrie aufgegriffen. Dabei geht es der Industrie aber nicht um ethische Fragen oder um eine gesündere Ernährung. Die Industrie greift einfach einen Trend auf, um mehr Umsatz zu machen. Wozu braucht man eigentlich vegetarische Schnitzel, vegetarische Bratwurst, vegetarische Schinkenwürfel und so weiter? Kann man die pflanzlichen Produkte nicht als solche bezeichnen und auch essen? Wenn wir der Meinung sind, dass wir aus ethischen Gründen kein Fleisch essen dürfen, was machen wir dann mit unseren Hunden und Katzen? Wollen wir die Haltung von Hunden und Katzen verbieten? Oder sollen diese nicht tierartgerecht ernährt werden?

Immer wieder gehen Bilder durch die Presse, die von unwürdigen Bedingungen bei der Haltung von Tieren zeugen. Wie wird der Tierschutz bei der Elbeland eG gehandhabt?

Missstände müssen angeprangert werden. Aber dazu gehört auch immer eine ordentliche Recherche. Leider lässt das in manchen Fällen zu wünschen übrig und die Berichterstattung ist leider nicht objektiv, sondern tendenziös. In der Kontraste-Sendung am 25. August dieses Jahres beispielsweise wimmelte es nur von Fehlern und Falschaussagen. So wurde zum Beispiel gesagt, dass aus einer Sau pro Jahr 180 Ferkel „herausgepresst“ werden. Ein Laie merkt das nicht und hinterfragt das auch nicht. Mit solchem Unsinn wird ein ganzer Berufsstand verunglimpft, und zwar die Menschen, die dafür sorgen, dass wir täglich genug zu essen haben. Zu dieser Sendung hatten die Journalisten auch Material für positive Beispiele der Tierhaltung vorbereitet. Dieses wurde jedoch dem Zuschauer vorenthalten. Warum? Ausgewogene Berichterstattung sieht anders aus.

Wie wird der Tierschutz bei der Elbeland eG gehandhabt?

Tierschutz ist für unsere Mitarbeiter eine Herzensangelegenheit und für uns auch täglich eine Herausforderung. Tierschutz kostet auch Geld. Aber ich sehe keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Tierschutz und Ökonomie. Nur gesunde Tiere, die sich wohl fühlen, können optimale Leistungen bringen. Zum Tierschutz gehört auch die Bio- sicherheit. Wir haben heute in dieser Hinsicht einen viel höheren Standard als noch vor Jahren. Das Gespräch mit Verbrauchern ist uns wichtig. Wer sehen will, wie wir unsere Tiere halten und betreuen, den laden wir ein, sich das vor Ort anzusehen. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die Biosicherheit nicht in Gefahr gerät. Die Verbraucher sollen sich informieren und wir wollen von den Verbrauchern lernen.

Wieviele Mitarbeiter standen zu LPG-Zeiten und stehen heute bei der Agrargenossenschaft in Lohn und Brot?

Ende der 1980er Jahre waren in der Tierproduktion fast 100 Menschen beschäftigt. Außerdem gab es in der Pflanzenproduktion für den Bereich Klietz/Scharlibbe nochmal 40 bis 50 Mitarbeiter. Insgesamt waren es in Klietz und Scharlibbe etwa 140 bis 150 Mitarbeiter. Wir hatten damals schon zirka 8 000 Schweine, etwa 300 Milchkühe mit Nachzucht und 350 Schafe. Die Schafe wurden unmittelbar nach der Wende abgeschafft. Sonst haben wir die Struktur im Wesentlichen beibehalten.

Noch ein Wort zur Technik!

Sie hat sich in den Jahren wesentlich verändert. Insbesondere hat die Elektronik in allen Bereichen Einzug gehalten. Dadurch gibt es völlig neue Möglichkeiten für präzises Arbeiten. Die Traktoren und Erntemaschinen sind mit Elektronik vollgestopft. GPSLenksystme helfen bei der Ausbringung der Gülle, beim Pflanzenschutz, bei der Düngung und Ernte. In den Ställen gab es keine Klimaregelung. Heizen mit der minderwertigen Braunkohle war ein Pro­blem. Heute heizen wir mit der Wärme, die in der Biogasanlage erzeugt wird. Die Klimaregelung in den Ställen erfolgt vollautomatisch. Im Sommer gibt es sogar eine Kühlung, die sich bei hohen Temperaturen einschaltet. Es ist eine enorme technische Entwicklung, die in der Landwirtschaft stattgefunden hat. Die Bedingungen für die Tiere und die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter haben sich wesentlich verbessert. Durch die Technik auf dem Feld werden die Aufwandmengen für Düngung und Pflanzenschutz exakt an den Bedarf angepasst – das ist ein wesentlicher Beitrag für den Umweltschutz.

Sie haben immer Wert auf die Lehrlingsausbildung gelegt …

Zurzeit haben wir zwei Azubis. Arnim Glimm ist für die Lehrlingsausbildung verantwortlich. Frank Schirmer hat ebenfalls die Berechtigung dazu. Die Lehrausbildung ist eine Investition in die Zukunft. Frank Schirmer hat bei uns gelernt. Enrico Walter war der erste Lehrling nach der Wende. Er und weitere ehemalige Azubis arbeiten heute noch bei uns. Wer in der Landwirtschaft arbeiten will, braucht eine solide Ausbildung.

Wenn Sie an den Juni 2013 denken, als die Wassermassen den Betrieb fluteten, bekommen Sie sicher immer noch Herzklopfen …

Ja, das vergisst man nicht. Für uns hat da eine neue Zeitrechnung begonnen. Wir haben seitdem viel für den Hochwasserschutz getan. Die Schäden in der Schweinehaltung und in der Rinderproduktion sind weitestgehend behoben. 2017 muss noch unser Stützpunkt hergerichtet werden.

Ihre Frau Christine, viele Jahre Grundschulleiterin in Klietz, ist seit Sommer im Ruhestand. Den können Sie nun zusammen genießen. Womit füllen Sie die Tage aus?

Einen genauen Plan habe ich noch nicht, aber eine Menge Ideen. Auf jeden Fall wollen wir mehr Zeit für die Familie haben. Und wir hoffen, dass wir auch bald unserem Hobby, dem Wandern, wieder nachgehen können. Beispielsweise „Harzer Wanderkaiser“ zu werden, wäre ein lohnendes Ziel. Man hat mir zu meiner Verabschiedung einen Rucksack mit voller Ausrüstung geschenkt. Das verpflichtet! Auf jeden Fall werden wir aktiv etwas für unsere Gesundheit tun. Auch Radfahren gehört dazu.